Interkulturelle Seelsorge im Gefängnis
64. Ökumenische Alpenländertagung für Gefängnisseelsorgende von Österreich, Bayern und der Schweiz vom 19. – 23. Juni 2017
Ein Gefängnis spiegelt gesellschaftliche Entwicklungen häufig sehr genau wider. Die Veränderungen durch Migration oder damit zusammenhängende demographische Entwicklungen haben Auswirkungen auf die Gefängnisseelsorge. Wie kann darauf diakonisch und seelsorglich angemessen reagiert werden? Dieser anspruchsvollen Frage gingen die TagungsteilnehmerInnen aus drei Ländern und drei Religionen anhand von Impulsen aus Theorie und Praxis und in gemeinsamen Diskussionen nach.
Seitens des SPI zeigte Eva Baumann-Neuhaus aus soziologischer Perspektive wie sich die Migrationsgeschichten der Schweiz, Deutschlands und Österreichs in den letzten hundert Jahren entwickelt und welche Herausforderung sich daraus für Gesellschaft und Staat ergeben haben und wie die Zuwanderung politisch gesteuert wurde. Es präsentierten sich, ausgelöst durch Konjunkturschwankungen, Kriege und Armut, mit wenigen Ausnahmen nicht nur ähnliche zyklische Migrationsverläufe sondern auch ähnliche Regulierungsmassnahmen: Migrationsströme wurden und werden in unseren Wohlstands- und Wohlfahrtsstaaten politisch so gesteuert und reguliert, dass sie der wirtschaftlichen Entwicklung des Einwanderungslandes optimal förderlich sind und die gesellschaftliche Kohäsion nicht gefährden. Das ökonomische Paradigma scheint den Umgang mit der Zuwanderung seit jeher zu prägen, auch die heutigen nationalen Migrationspolitiken mit ihrem Fokus auf Integration scheinen davon nicht ausgenommen…
Wo es um Migration, Integration und sozialen Zusammenhalt geht, ist in den vergangen Jahren auch die Religion bzw. die Frage nach dem integrativen bzw. desintegrativen Potenzial von Religion immer wieder ins Zentrum des Interesses gerückt. Insbesondere die zugewanderten Religionsgemeinschaften und unter ihnen die als „fremdreligiös“ wahrgenommenen Gruppierungen stehen heute unter Dauerbeobachtung. Das Referat ging darum auch der Frage nach, wie und wann Religion zur Ressource bzw. zu einem Risiko für das Individuum und die Gesellschaft wird.
Vor dem Hintergrund der durch Zuwanderung und Pluralisierung geprägten Gesellschaft, die sich in den Gefängnissen unserer Länder widerspiegelt, wurde schliesslich der Frage nachgegangen, wie eine konkrete Migrationspolitik mit ihrem Verständnis von Integration die Arbeit der Seelsorgenden in den Gefängnissen prägt bzw. von welchem Integrationsverständnis sie sich für ihre Arbeit leiten lassen. Eine angeregte Diskussion entspann sich dann an den Fragen:
- zum Recht auf Religionsfreiheit im Gefängnis.
- zu Aufgabe und Zweck der Seelsorge im Gefängnis.
- zu Zulassung und Qualifikation von Seelsorgenden.
- zur interkonfessionellen und interreligiösen Zusammenarbeit.
- zur Zusammenarbeit zwischen den Religionsgemeinschaften und dem Staat.
In den anschliessenden Referaten, Praxisbeispielen und Diskussionen stellten sich die TagungsteilnehmerInnen der wichtigen und praxisorientierten Frage, wie heute in und ausserhalb der Gefängnissituation diakonisch und seelsorglich auf soziokulturelle Veränderungen reagiert werden kann.
In einem zweiten Teil wurden gefängnisseelsorglich relevante Begriffe zusammen mit Vertretern muslimischer und buddhistischer Organisationen vergleichend interreligiös diskutiert und über eine interkulturelle Zusammenarbeit nachgedacht.