Die vertrauten Kirchengestalten verschwinden – Teil 4

Mrz 6, 2017

Teil 4: Kirchliche Trauungen nehmen weiter ab

  • Während die Zahl der zivilen Eheschliessungen seit den 1960er Jahren relativ stabil blieb, ist die Zahl der kirchlichen Trauungen stark eingebrochen.
  • Im Jahr 2015 wurden in der Schweiz 3‘845 Paare katholisch und 3‘870 Paare reformiert getraut.
  • Die katholische Trauquote lag 2015 bei 23 %, jene der Reformierten bei 30 %.
Kirchliche Trauungen nehmen weiter ab – zivile Heiraten bleiben nur zahlenmässig stabil
Grafik 11: Entwicklung der kirchlichen Trauungen zwischen den Jahren 2011 und 2015; Quelle: Pfarreierhebungen der Bistümer und evangelisch-reformierte Landeskirchen

Grafik 11: Entwicklung der kirchlichen Trauungen

Seit den 1960er Jahren liegt die Zahl der zivilen Eheschliessungen bei etwa 42’000 pro Jahr. Im Jahr 2015 wurden 41’437 Ehen geschlossen. Das sind 454 (oder 1.1 %) weniger Trauungen als im Jahr 2014 (41’891) und 1’643 (4 %) Trauungen mehr als im Jahr 2013. Zu beachten ist angesichts der Stabilität der Zahl ziviler Trauungen jedoch, dass die Gesamtbevölkerung im gleichen Zeitraum um fast 50 % zugenommen hat.

Erstmals lassen sich für die gesamte Schweiz über einen Zeitraum von fünf Jahren (2011 – 2015) die kirchlichen Trauungen der römisch-katholischen Kirche darstellen (Grafik 11). Dies ermöglicht einen Vergleich mit den Trauzahlen der evangelisch-reformierten Kirche und eine Berechnung der Trauquoten beider Grosskirchen.
Im Jahr 2015 wurden in der Schweiz 3’845 Paare katholisch getraut. Das sind 240 Trauungen (5.9 %) weniger als im Jahr 2014 (4‘085 Trauungen). Die reformierten Trauungen liegen im Jahr 2015 bei 3’780 Trauungen. Das sind 189 Trauungen (4.8 %) weniger als im Jahr 2014 (3’969).

Das Bundesamt für Statistik (BFS) erhebt für die zivilen Eheschliessungen auch die Religionszugehörigkeit der Eheschliessenden. Das ermöglicht Aussagen darüber, wie oft auf eine zivile Eheschliessung auch eine kirchliche Trauung folgt. Im Jahr 2015 fand bei 30 von 100 zivilen Eheschliessungen mit mindestens einem reformierten Ehepartner resp. einer reformierten Ehepartnerin auch eine reformierte Trauung statt (vgl. Tabelle 1). Die Trauquote in der katholischen Kirche betrug 23 %. Über die gesamte Zeitspanne zwischen 2011 und 2015 ist die reformierte Trauquote höher als die katholische.

Tabelle 1: Reformierte und katholische Trauquoten; Quelle: BFS: Statistisches Lexikon der Schweiz, 2016; Pfarreierhebungen den Schweizer Bistümer; Evangelisch-reformierte Landeskirchen der Schweiz

Tabelle 1: Reformierte und katholische Trauquoten

Die vorliegenden Zahlen zeigen, dass beide grossen Kirchen ihre ehemals selbstverständliche Rolle bei der Eheschliessung verloren haben. Seelsorgerinnen und Seelsorger müssen in dieser Situation kirchliche Eheschliessungen sehr individuell begleiten und gestalten. Wo eine kirchliche Trauung früher selbstverständlich war, bedarf sie heute vermehrter Erklärungen und einer sorgfältigen Vorbereitung. Heute ist die Zahl kirchlicher Eheschliessungen zwar niedriger, die persönliche Bedeutung einer kirchlichen Trauung hat sich jedoch von einer blossen Tradition hin zu einer bewussten religiösen Entscheidung gewandelt. Insbesondere die katholische Kirche steht heute vor der anspruchsvollen Aufgabe, die seit den 1960er Jahren entwickelte Entfremdung der kirchlichen Lehre gegenüber den Realitäten von Partnerschaft und Ehe zu überwinden. Die jüngsten weltweiten Diskussionen um Ehe- und Familienpastoral und das päpstliche Lehrschreiben «Amoris Laetitia» (2016) können als aktive Versuche gelten, neue Brücken zwischen der Kirche und heiratswilligen Paaren zu schlagen.

Zur Information

Das Factsheet Kirchenstatistik 2017 (Teile 1 – 4) können Sie hier herunterladen.

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Judith Albisser

Wissenschaftliche Mitarbeiterin

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