Religion im Museum

Landesmuseum Zürich
Ausstellungen zum Thema Religion stossen gegenwärtig auf grosses Interesse. Im letzten Jahr besuchten gut 100’000 Besucher und Besucherinnen die Sonderausstellung «Kloster Einsiedeln. Pilgern seit 1000 Jahren» im Landesmuseum. Auch das Modellprojekt des Museums Rietberg «Kunst sehen – Religion verstehen» scheint bei Schulklassen sehr beliebt zu sein. Ob die kürzlich eröffnete Ausstellung «Gott und die Bilder. Streitfragen der Reformation» wieder auf ein so breites Echo stösst?
Das Museum ist ein Ort des Betrachtens und Lernens und ermöglicht seinen Interessierten geistesgeschichtliche Abstecher. Entdecken sie hier Religion auch als Thema, das sie persönlich anspricht?
Auf diese Frage suchte die Tagesschau des Schweizer Fernsehens Antworten. Die Redaktion besuchte Ausstellungen und befragte dazu die Religionswissenschaftlerin Dr. Eva Baumann-Neuhaus vom Schweizerischen Pastoralsoziologischen Institut in St. Gallen.
Was wir beobachten können: Religion als Thema geniesst in der Öffentlichkeit seit einiger Zeit vermehrte Aufmerksamkeit. In migrationspolitischen Debatten ist sie omnipräsent und auch die Medien haben sie auf dem Radar. Die Aufmerksamkeit ist das Resultat einer neuen Präsenz und Sichtbarkeit der Religionen und ihrer Akteure im öffentlichen Raum. Diese Sichtbarkeit verdankt sich einerseits den zugewanderten Religionsgemeinschaften, die Religion nicht nur als Privatsache verstehen, andererseits der erhöhten Kommunikationstätigkeit der einheimischen Religionsgemeinschaften, die ihrer gesellschaftlichen Rolle wieder eine Stimme verleihen wollen.
Nun haben auch die Museen das Thema Religion neu entdeckt. Nicht zu Unrecht, wie die Nachfrage zeigt. Religion will gesehen werden. Bei der Suche nach Gründen für das Interesse bleiben wir im Raum der Spekulationen.
Stammen die Besucher und Besucherinnen aus bildungsnahen Milieus, die sich für Geschichte, Kulturen und Religionen interessieren, jedoch höchstens aus der Distanz der Betrachtenden? Gibt es auch Besuchende, die zu den religiösen Institutionen längst auf Distanz gegangen, aber damit nicht automatisch auch areligiös geworden sind? Bestimmt sind auch religiös Involvierte in den Ausstellungen anzutreffen. Sie sehen sich als Teil der (Religions-)Geschichte, die hier präsentiert wird und von der sie geprägt sind.
Kirchliche Religiosität ist für viele Menschen heute nicht mehr anschlussfähig. Trotzdem wollen sie sich mit ihrem religiösen Erbe auseinandersetzen oder sind Suchende geblieben. Sie sind selbstbestimmt und selbstverantwortlich unterwegs – auch in Sachen Religion. Viele brauchen für ihre Sinnsuche bzw. ihre Religiosität den sakralen Raum eines Gotteshauses und die kirchlichen Traditionen nicht mehr. Der Raum des Museums – anonym, unverbindlich und offen – bietet vielleicht gerade diesen Menschen eine bessere Möglichkeit, ihren Fragen und Gedanken nachzugehen. Hier können sie in Ruhe und Freiheit, fern von Erwartungen und Verbindlichkeiten das Thema Religion durchdenken, erfühlen und vielleicht sogar erfahren.
Die Tatsache, dass Menschen nach wie vor an Religion interessiert und religiös suchend geblieben sind, stellt für die Kirchen darum auch eine grosse Chance dar.